HOME     www.tegels-uit-rotterdam.com

Manganfarbene Säulenbilder auf Rotterdamer Fliesen

in der Küche der Amalienburg im Nymphenburger Schlosspark

 

 

Vom statischen Funktionsteil zum Dekorationsobjekt

Säulenbilder auf Fliesen werden in den Niederlanden ’tegelpilaren’ (pilaren, ranken, kolommen, pilasters) genannt. Sie sind Imitationen von aus Naturstein gefertigten tragenden Säulen an offenen Kaminen des 16. und 17. Jahrhunderts.
Die Bilder 1 und 2 zeigen beispielhaft solche Säulen an Rauchfängen des 16. und 17. Jahrhunderts in der Wasserburg Anholt.
Säulenbilder in der Küche der Amalienburg imitieren gedrehte Barocksäulen in der Art der in Bild 2 gezeigten.

 

 01

Renaissancekamin in der Wasserburg Anholt (Grüner Saal)

 

Darstellungen von Kinderspielen auf den Fliesen lockern die Strenge des Kamins mit seinen beiden den Feuerraum begrenzenden Säulen auf. Die Kaminplatte trägt die Aufschrift >Adam/Unt/Ev-Venus< und die Jahreszahl 1542.

 

 02

Wasserburg Anholt (Alter Speisesaal)

 

Ein offener Kamin ist Blickfang im Raum. Der barocke Kaminaufbau wurde aus Marmor und Ebenholz gefertigt. Niederländische Fliesen (Anfang 17. Jahrhundert) zeigen Personen im Alltag. Die Kaminplatte stellt Maria Anna, Gräfin von Bronckhorst-Batenburg (1624-1661) dar.

 

’tegelpilaren’ in der Küche der Amalienburg

Es gibt in der Küche drei verschiedene Arten

a)      Sieben gedrehte Säulen mit Putti

b)      Vier gedrehte Säulen mit Pfauen

c)      Neun Säulen aus Sonnenblumen, einer Vase entwachsend

 

Grundriss der Küche (Hilfe zum Auffinden der Ansetzstellen)

 03

Diese Zeichnung fertigte nach meinen Angaben Herr Josef Krämer, Architekt in Königswinter-Uthweiler.

 

                       04

a) Putti                      b) Pfauen                 c) Sonnenblumen

 

 

a)  Sieben gedrehte Säulen mit Putti

Die Puttisäulen messen zwei Fliesen in der Breite und dreizehn Fliesen in der Höhe.

Auf eine mit Netzgitter verzierte Basis folgt ein Sockel mit musizierenden Putti und eine abgestufte Basis. Darüber windet sich eine gedrehte Barocksäule, die in einem jonischen Kapitell endet. Bänder mit Blattwerk und Blumen umschlingen die Säule, dazwischen tummeln sich Putti und Vögel.

 

 05

Puttisäule an der Kaminwand (29)

 

 06

Puttisäule an der Kaminwand (33)

 

 07

Puttisäulen an der Südwand (17 und 15)

 

 08

Puttisäule an der Westwand (10)

 

 09

Puttisäule an der Nordwand (3)

 

 10

Puttisäule an der Nordwand im Vorraum

 

Graphische Vorlagen für die musizierenden Putti

Vorlagen für die musizierenden Putti waren zwei Blätter aus der Folge der Kinderspiele mit dem Titel „PAEDO PAEGNION/ sine PUERORUM LUDENTIUM/ SCHEMATA VARIA/ Pictorum usui aptata./ Nobilissimo Domino/ D. GEORGIO AB. ETTENHARD,/ Sacri Imerii Equiti ... 1 Pet van Avont Antwerp. Inventor L.M.D.D. Pet van Avont excudit cum privilegio, W. Hollar fecit”

Entwerfer und Verleger: Peeter (Pieter) van Avont (1600-1652)

Stecher: Wenzel Hollar (1607-1677)

 

 11

Radierung 1

 

 12

Radierung 2

 

 

Es gibt in der Küche der Amalienburg sechs verschiedene Darstellungen

Wie Radierung 1                                                  = Kaminwand (33)

Radierung 1 spiegelbildlich                                 = Nordwand - Vorraum -

Wie Radierung 2                                                  = Westwand (10)

Radierung 2 spiegelbildlich                                 = Südwand (17) und Nordwand (3)

Aus Radierung 1, Psalterium links und rechts   = Kaminwand (29)

Aus Radierung 1, Laute links und rechts            = Südwand (15)

 

 13

Wie Radierung 1 = Kaminwand (33)

 

 14

Radierung 1 spiegelbildlich = Nordwand - Vorraum -

 

 15

Wie Radierung 2 = Westwand (10)

 

 

 16

Radierung 2 spiegelbildlich = Südwand (17) und Nordwand (3)

 

 

 17

Aus Radierung 1, Psalterium links und rechts = Kaminwand (29)

 

 18

Aus Radierung 1, Laute links und rechts = Südwand (15)

 

Verwendung von Durchstaubschablonen

Zur Übertragung von graphischen Vorlagen oder Zeichnungen auf Fliesen fertigte der Fliesenmaler Durchstaubschablonen. Er legte mehrere Blätter Papier unter eine graphische Vorlage oder Zeichnung und durchstach die Konturen des Motivs. Die so gefertigte Durchstaubschablone legte er auf die zu bemalende Fliese und schlug mit einem mit Kohlenstaub gefüllten Leinensäckchen auf die Schablone. Kohlenstaub drang durch die Lochzeichnung der Schablone auf die zu bemalende Fliese. Der Fliesenmaler sah nun als Malhilfe auf den Fliesen die Konturen des zu malenden Objektes.

Durchstaubschablonen wurden sowohl für korrekte als auch für spiegelbildliche Darstellungen benutzt, denn es gibt in der Küche rechts- und linksdrehende Puttisäulen. Aus den Radierungen 1 und 2 wurden Teilbereiche mittels Durchstaubschablonen korrekt und spiegelbildlich übertragen. Die Bilder 13 bis 18 belegen dies.

 

 

 

b)  Vier gedrehte Säulen mit Pfauen

In der Küche der Amalienburg gibt es vier Pfauensäulen und zwar in der Raumecke Westen – Norden (7) und (6) und der Raumecke Süden – Westen (14) und (13).

Die Pfauensäulen messen zwei Fliesen in der Breite und dreizehn Fliesen in der Höhe.

Auf eine mit Netzgitter verzierte Basis folgt ein Sockel mit Darstellung einer Hafenlandschaft und eine abgetreppte Basis. Darüber windet sich eine gedrehte Barocksäule, die in einem jonischen Kapitell endet. Bänder mit Blattwerk und Blumen umschlingen die Säule, dazwischen tummeln sich Pfauen.

 

 19

Raumecke Westen - Norden (7) und (6)

 

 20

Raumecke Süden – Westen (14) und (13)

 

 

 21

Diese Art der Darstellung gibt es bei (6) und (14)

 

 

 22

Diese Art der Darstellung gibt es bei (7) und (13)

 

Fliese im Depot des Historisch Museum Rotterdam

 23

Diese Fliese mit der Inventarnummer 005580 liegt im Depot des Historisch Museum Rotterdam. Sie zeigt das gleiche Teilmotiv wie die Pfauensäulen (7) und (13) und wurde mit Benutzung gleicher Durchstaubschablone gefertigt. Dies ergab die Überprüfung mit einer aufgelegten Folienkopie.

 

c)  Neun ’Säulen’ aus Sonnenblumen, einer Vase entwachsend

In der Küche der Amalienburg gibt es neun Sonnenblumensäulen.

Diese messen zwei Fliesen in der Breite und abweichend von den Typen a) und b) nur zwölf Fliesen in der Höhe.

Auf eine mit Netzgitter verzierte Basis folgt ein Sockel mit Darstellung der Flora. Anstelle einer Säule wie bei den Typen a) und b) winden sich gedrehte Sonnenblumen aus einer Vase. Die Vase zieren zwei Griffe in Form von Meerjungfrauen. Zwischen den Zweigen der Sonnenblumen tummeln sich Vögel, Schmetterlinge und Insekten. Ein Spinnennetz findet man zwischen dem Blattwerk.

 

 24

Sonnenblumen (3) und (29)

 

 25

Sonnenblume (33)

 

 26

Sonnenblumen (33), (18), (17) und (15)

 

 27

Sonnenblume (13)

 

 28

Sonnenblume (10)

 

 29

Sonnenblume (7)

 

    

30 Detail 1                                                                  31 Detail 2

 

    

32 Detail 3                                                                  33 Detail 4

 

34 Detail 5

 

 

 

Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen

- Amalienburg -

http://www.schloss-nymphenburg.de/deutsch/p-burgen/amalien.htm

 

 

Bitte beachten Sie meine früheren Veröffentlichungen:

NIEDERLÄNDISCHE BLUMENVASENBILDER IN DER KÜCHE DER AMALIENBURG

http://www.geschichte-der-fliese.de/amalienburg_blumenvasenbilder.html

 

EINFLÜSSE DER CHINAMODE AUF DIE DEKORATION DER KÜCHE IN DER AMALIENBURG

http://www.geschichte-der-fliese.de/amalienburg_chinamode.html

 

HAHN UND PAPAGEI AUF BLUMENVASENTABLEAUS

http://www.tegels-uit-rotterdam.com/hahnundpapagei.html

 

DE HAAN EN DE PAPEGAAI OP BLOEMVAASTABLEAUS

-WITH SUMMERY-

http://www.tegels-uit-rotterdam.com/hahnundpapagei_niederl.html

 

NIEDERLÄNDISCHE BIBELFLIESEN IN DER KÜCHE DER AMALIENBURG UND IHRE GRAPHISCHEN VORLAGEN

in: KERAMOS, HEFT 206, OKTOBER 2009

 

 

Im Hinblick auf die Darstellungen der Putti empfehle ich das Buch

Jan Pluis und Reinhard Stupperich

“Mythologische Voorstellingen op Nederlandse Tegels

Metamorphosen naar Ovidius

herders - cupido’s- zeewezens“

Primavera Pers Leiden 2011

 

Bildnachweis:

Historisch Museum Rotterdam 32

Joliet, Wilhelm 01-04, 13-18, 21, 22, 30-34

Marggraf, Rainer (Archiv) 20, 26

Ziffer, Dr. Alfred 05-10, 19, 24, 25, 27-20