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Rotterdamer Landschaftsfliesen des 18. Jahrhunderts in Schloss Eutin

 

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 Blick vom Schlossplatz zur Stadtfassade mit dem Torturm

 

 

Geschichte des Schlosses

Das Schloss ist die Keimzelle der Stadt Eutin. Es gehört neben dem Gottorfer und dem Glücksburger Schloss zu den bedeutendsten höfischen Profanbauten in Schleswig-Holstein. Die vierflügelige Anlage ging aus einer mittelalterlichen Burg hervor und wurde im Lauf der Jahrhunderte zur Residenz ausgebaut. Unter Fürstbischof Christian August wurde das Schloss zur Barockresidenz. Die Bindung des Bischofsamtes an das Haus Gottorf führte zu andauernden Unstimmigkeiten mit dem dänischen Königshaus, die 1705 in einer Besetzung und teilweisen Zerstörung des Schlosses durch dänische Truppen gipfelten. In der Zeit von Christian August bis Friedrich August I. verwandelte sich das Schloss in einen barocken Fürstenhof und Eutin wurde zu einem gesellschaftlichen Zentrum des Landes. Die Arbeiten leitete der schwedische Hofbaumeister Rudolph Matthias Dallin von 1717 bis 1727. Schloss Eutin war bis zum Thronverzicht Friedrich August II. 1918 Sommerresidenz der herzoglichen Familie. Nach der Abdankung wurde das Schloss nicht mehr bewohnt. Es wurde ein Schlossmuseum eingerichtet. Stadt und Schloss Eutin überstanden den Ersten und Zweiten Weltkrieg schadlos. Zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Schloss Auffanglager vor allem für Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten. So sollen zeitweise mehrer hundert Menschen im Schloss eine Bleibe gefunden haben. Nach dem Auszug der Flüchtlinge bewohnte der mecklenburgische Herzog Adolf das Schloss bis 1969. Schon ab 1957 wurde das Schloss der Öffentlichkeit im begrenzten Umfang wieder zugänglich gemacht. Die herzogliche Familie brachte 1992 Schloss und Garten in die neugegründete ‘Stiftung Schloss Eutin‘ ein. Die Restaurierung der Innenräume erfolgte in Abschnitten. Der Rittersaal wurde erst 2006 wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.

 

Küche mit Rotterdamer Landschaftsfliesen

Ein besonderes Highlight findet der Freund niederländischer Fliesen im Westfügel des Schlosses. Es ist eine Küche mit Rotterdamer Landschaftsfliesen, die Christian August (*1673-+1726), protestantischer Fürstbischof, 1720 für Herzogin Albertine Friederike (*1682-*1755) einrichten ließ.

Die Lieferung der Landschaftsfliesen aus Rotterdam dürfte demgemäß 1719 oder 1720 erfolgt sein.

 

Wandansichten der Küche

 

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Teilbereich der linken Seitenwand mit Blick zur Eingangstür

 

Die Wand wurde geschickt durch Einarbeitung manganfarbener Landschaftsfliesen aufgelockert.

 

 

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Detail der linken Seitenwand

 

 

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Eingangstür mit Türsturz

 

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Türwand mit Eingangstür zur Küche

 

An der Kopfwand wurden manganfarbene Landschaftsfliesen als Band, Wange, und Türsturz sowie als eine Reihe Sockel angesetzt. Warum eine Fläche uni weißer Fliesen an der Kopfwand angesetzt wurde, ist nicht nachvollziehbar.

 

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Offener Kamin an der rechten Seitenwand

 

Im offenen Kamin ist Gebrauchskeramik des 18. Jahrhunderts abgestellt. Küchengeschirr des 18. Jahrhunderts aus Zinn lagert im offenen Kamin und im Becken vor dem Fenster. Vom Becken wurde Wasser direkt in den Burggraben abgeleitet.

 

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Innenecke von rechter Seitenwand und Kopfwand

 

Uni weiße Wandfliesen bekleiden Fensterrahmung, Fensterlaibung und Sturz.

 

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Innenecke Kopfwand und linke Seitenwand

 

Gebrauchsgegenstände des 18. Jahrhunderts aus Zinn sind passende Dekoration der Küche.

 

 

 

 

Auswahl von Detailflächen

 

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Einzelfliesen - Landschaften blau

 

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Einzelfliesen – Landschaften manganfarben

 

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Rotterdamer Dekore

 

Frederik Jacobus Kleijn (1819-1881), Besitzer einer Fliesenwerkstatt in Delfshaven, schenkte im Juni 1876 ein Vorlagenbuch für Fliesenmaler (THA 3195-89) zusammen mit einigen losen Vorlageblätter dem Rotterdamer Archiv.

Der Notar notierte zur Schenkung, dass die Vorlagen ursprünglich von der Gilde der Rotterdamer Fliesenbrenner stammten.

Die Landschaftsfliesen in der Küche von Schloss Eutin sind mindestens einhundertfünfzig Jahre älter als das Vorlagenbuch und die losen Vorlageblätter im Rotterdamer Archiv.

 

 

 

 

 

 

 

 

Gemeentearchief Rotterdam voorbeeldboek voor tegelschilders (THA 3195-89-109)

 

         

 

 

 

 

Im Archiv der Stadt Rotterdam liegen Vorlagenblätter für Fliesenmaler, deren Dekore mit Landschaftsfliesen im Eutiner Schloss übereinstimmen.

 

 GMR 3060

 

         

 

 

 GMR 3061

 

         

 

 

 GMR 3062

 

         

 

 

Besonderheiten

In die Wandflächen Rotterdamer Landschaftsfliesen wurden vier nicht zugehörige Makkumer Bibelfliesen mit Textangaben aus der Zeit um 1720 angesetzt.

 

              

Genesis 21:15-19a                                       Lukas 18:11-14

Hagar in der Wüste mit Ismael.                    Der Pharisäer und der Zöllner

 

               

Matthäus 20:1-2                                          Matthäus 27:29a

Die Arbeiter im Weinberg                           Die Verspottung Jesu bei Pilatus

 

 

Weiterhin gibt es eine nicht zugehörige Harlinger Bibelfliesen aus der Zeit um 1720 und vier Harlinger Bibelfliesen aus der Zeit um 1740.

 

 

 

 

 

 

 

Genesis 4:4

Das Opfer von Abel

(Harlingen um 1720).

 

 

 

 

 

 

 

Exodus 32;5, 6a

Das goldene Kalb

(Harlingen um 1740).

 

 

 

 

 

 

 

Markus 6:28 // Mattäus 14:11

Johannes der Täufer enthauptet.

Der Henker gibt Salome das Haupt.

(Harlingen um 1740)

 

 

 

Matthäus 7:3 // Lukas 6:41

Gleichnisse

Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?

(Harlingen um 1740)

 

 

 

 

 

Matthäus 27:48 // Markus 15:36 // Johannes 19:28

Jesus bekommt Essig zu trinken.

Sogleich lief einer von ihnen hin, tauchte einen Schwamm in Essig, steckte ihn auf einen Stock und gab Jesus zu trinken.

(Harlingen um 1740)

 

 

Sanierungsarbeiten

Meine Nachforschungen nach Datum und Umfang zuletzt durchgeführter Restaurierungsarbeiten blieben erfolglos. Bei Wikipedia fand ich Angaben zu Restaurierungsarbeiten im Schloss ohne Bezug zur Küche.

- Umbaumaßnahmen 1840

- Umfassende Restaurierungen von 1969 bis 1972

- Weitere Restaurierungen in den achtziger Jahren

- Erster Abschnitt umfassender Sanierungsarbeiten von 1987 bis 1997

- Weitere Arbeiten in Innenräumen folgten in Einzelabschnitten bis 2006

Die Wandansichten zeigen eindeutig, dass es sich um eine Zweitverwendung der niederländischen Fliesen handelt. Wurden die Fliesen im 18. Jahrhundert weitestgehend ohne Fugen angsetzt, so finden wir hier wechselnde Fugenbreiten bis zu 3 mm. Der Fugmörtel hat eine frische weiße Farbe und füllt zum Teil Fehlstellen von Fliesen aus. In Teilbereichen findet man extreme Fugenversprünge (siehe Bilder 09, 11 und 16). Sie sind ebenfalls Zeichen nicht sach- und fachgerechten Restaurierung.

 

 

Bildnachweise

Henny und Jan Pluis, liebe Freunde aus den Niederlanden, besuchten im Juni 2015 Schloss Eutin. Jan stellte mir seine damals angefertigte Fotodokumentation zur Verfügung.

Schwiegertochter Katja und Sohn Norbert besuchten im Juni 2018 Schloss Eutin. Norbert erstellte eine Dokumentation von Detailflächen, Einzelfliesen und Besonderheiten.

 

 

Literaturnachweise

Wilhelm Joliet
Die Geschichte der Fliese
, Köln 1996

Rotterdamsch modellenboek voor tegels, Königswinter 2001
Tegels voor de keurvorst
in: Tegels uit Rotterdam (S.178-202), Rotterdam 2009


Jan Pluis
Der Export von Makkumer Fliesen nach Nordwestdeutschland,
in Rainer Marggraf (red.) Niederländische Wandfliesen in Nordwestdeutschland, Einfluß der Niederlande auf die Wohnkultur zwischen Weser und Ems, Osnabrück 1984
Bijbeltegels – Bibelfliesen, Münster 1994
Harlingen, Producten 1720-1933, Fries Aardewerk IV, Leiden 2005
De Nederlandse tegel, decors en benamingen 1570-1930, Leiden 2013


Wikipedia

 


Mein Dank gilt Jan Pluis für Fotos aus Eutin und die vielfältige Hilfe.

Meinem Sohn Norbert danke ich für Fotoarbeiten in der Küche von Schloss Eutin, sowie für Bearbeitung und Veröffentlichung dieses Berichtes.