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Mythologische Darstellungen
auf Ro
tterdamer Fliesen des 18. Jahrhunderts
in der Aachener Sammlung Ludwig

 

 

Tableau 1

In der Sammlung Peter und Irene Ludwig befinden sich zwei Tableaus von jeweils acht manganfarben bemalten Fliesen. Fünfzehn dieser Fliesen zeigen mythologische Szenen nach Ovid und eine Fliese (06) eine Szene aus dem Alten Testament.

 

Metamorphosen (Ovid)

Die Metamorphosen (Bücher der Verwandlungen) des römischen Dichters Publius Ovidius Naso, kurz Ovid genannt, wurden vermutlich zwischen dem Jahr 1 oder 3 n. Chr. bis um 8 n. Chr. geschrieben. Sie bestehen aus 15 Büchern von je etwa 700 bis 900 Versen. Dabei wurden etwa 250 Sagen verarbeitet. Die Metamorphosen des Ovid sind eines der populärsten mythologischen Werke überhaupt und hatten enormen Einfluss auf die Literatur des Mittelalters sowie auf die bildende Kunst vom Mittelalter bis zum Barock.

 

Tableau 2

 

Alle sechszehn Fliesen haben die Maße von ca. 128 x 128 x 7 mm.

Die Bildfelder befinden sich jeweils im doppelten Achteck. Als Eckmotiv findet man das ‚dubbelblad‘, eine Art Schleife.

Die Fliesen wurden um 1750 in Rotterdam gefertigt. Sie können der berühmten Manufaktur der Familie Aalmis (Schiedamsedijk / Leuvehaven) zugeschrieben werden.

Für die mythologischen Szenen fand ich Malvorlagen und Durchstaubschablonen im Gemeentearchief Rotterdam.

 

Besonderheiten

Die Fliese 06 ist eine Bibelfliese.

Die Fliesen 13 und 15 zeigen eine identische mythologische Szene.

 

 

Gemeemtearchief Rotterdam (Malvorlagen)

Im Archiv liegen zwei Serien Vorlagen für Mythologiefliesen.

Die erste besteht aus dreiundzwanzig Blätter (Nr. 3001 – Nr. 3023) von ca. 150 x 140 mm mit Abbildungen in Kreisen von ca. 115 bis 120 mm Durchmesser. Die Vorlagen sind braun gezeichet, grau gewaschen und zur Anfertigung von Durchstaubschablonen durchstochen. Über den Abbildungen findet man Ziffern und unter den Abbildungen Bezeichnungen (zum Teil abgeschitten).

Im Papier sind bei mehreren Blättern Wasserzeichen identifizierbar (wapen van Amsterdam, geflankeerd door twee leeuwen, met kroon).

Die zweite Serie besteht aus zweiunddreißig Blätter (Nr. 3024 – Nr. 3055) von ca. 140 x 135 mm mit Abbildungen in Kreisen von 115 bis 120 mm Durchmesser. Die Vorlagen sind braun gezeichnet, blau gemalt und zur Anfertigung von Durchstaubschablonen durchstochen. Über den Abbildungen findet man Ziffern (sehr schwach und zum Teil abgeschnitten) und unter den Abbildungen Bezeichnungen.

Für diese Serie wurden mehrere Papierarten benutzt (a: naar rechts ziende maagd met vrijheidshoed op staak in Hollandse tuin, b: Leeuw op sokken met opschrift “Vryheyt“ in dubbele cirkel met randschrift, c: staande leeuw met zwaard).

 

Gemeentearchief Rotterdam (Durchstaubschablonen)

Im GAR liegt eine Serie von einunddreißig Durchstaubschablonen (Nr. 3120 –Nr. 3150) passend zu den Vorlageblättern der Serie zwei (Nr. 3024 – Nr. 3055).

Die Blätter haben das Format von ca. 115 x 115 mm und identifizierbare Wasserzeichen (Lelie, Initialen IV, Lelie op schild, waarboven monogram MB, Schild met dubbele diagonale balk, eronder initialen C&IH).

 

Benutzung von Durchstaubschablonen

Niederländische Fliesenmaler benutzten und benutzen Durchstaubschablonen.

Grundform einer Durchstaubschablone ist ein Stück Papier in der Größe einer Fliese oder eines Fliesentableaus. Zur Herstellung wird in der Regel ein Vorlageblatt (zum Beispiel eine Druckgrafik oder eine Zeichnung) auf mehrere Lagen Papier aufgebracht und die Umrisse durchstochen.

Eine Durchstaubschablone wird auf die einmal gebrannte und mit einer weiss brennenden Zinnglasur überzogene Fliese gelegt. Man schlägt die Schablone mit einem mit Holzkohlenstaub gefüllten Säckchen aus grobem Gewebe an. Holzkohlenstaub dringt durch die Nadelstiche im Papier und legt sich als kleine Punkte auf die Glasurmasse. Mit einem feinen Pinsel (trekker) zieht der Maler mit Orientierungshilfe der Punkte die Umrisse der Darstellung nach. Die weitere Bemalung geschah und geschieht mit einem etwas kräftigeren Pinsel (dieper) frei Hand.

Eine Durchstaubschablone kann man bei sorgfältiger Handhabung für mehrere hundert Fliesen benutzen.

Der Maler hält sich an die Vorlage, doch ist jede Fliese, bedingt durch kleine Abweichungen in der Ausführung, ein Unikat. Schöne Beispiele sind die Fliesen 13 und 15.

 

 

Beschreibung der einzelnen Fliesen

 

Fliese 01:

 

          

 

Nach Vorlage GAR 3049 mit Benutzung der Durchstaubschablone GAR 3144. Bezeichnungen auf der Vorlage ‘26‘ und ‘Hypomenus en Attelante in de Loopbaen‘.

Wettlauf von Hippomenes und Atalante : Ovid, Metamorphosen 10, 560-680.

 

 

Fliese 02:

 

          

 

Nach Vorlage GAR 3028 mit Benutzung der Durchstabschablone GAR 3122.

Bezeichnungen auf der Vorlage ‘3‘ und ‘Phaeton versoekt aen sijn vader Apollo om de Sonnewage te menne‘.

Phaeton bittet seinen Vater Apollo um den Sonnenwagen: Ovid, Metamorphosen 2, 1-101.

 

 

 

Fliese 03:

 

          

 

Nach Vorlage GAR 3046 mit Benutzung der Durchstaubschablone GAE 3141.

Bezeichnungen auf der Vorlage ‘t Oordeel van Paris‘.

Das Urteil des Paris: Ovid, Metamorphosen 12, 4 und 600-610.

 

 

Fliese 04:

 

    

 

Nach Vorlage GAR 3018.

Bezeichnungen auf der Vorlage ‘20‘ und ‘Apollo en Corona‘.

Apollo tötet Coronis: Ovid, Metamorphosen 2, 600-632.

 

 

Fliese 05:

 

          

 

Nach Vorlage GAR 3042 mit Benutzung der Durchstaubschablone GAR 3138.

Bezeichnungen auf der Vorlage ‘19‘ und ‘Eneas draegt syn vader en gaet met syn soontje uyt t brandent Troye‘.

Aeneas flüchtet mit Vater Anchises und Sohn Askanios aus dem brennenden Troja: Ovid, Metamorphosen 13, 626-631.

 

 

 

Fliese 06:

 

Es handelt sich um eine Bibelfliese ‘Job wird vom Satan mit Geschwüren geschlagen‘, Altes Testament, Job 2:7-10.

 

 

Fliese 07:

 

          

 

Nach Vorlage GAR 3030 mit Benutzung der Durchstaubschablone GAR 3126.

Bezeichnungen auf der Vorlage ‘7‘ und ‘Jupiter bij Semele‘.

Jupiter und Semele: Ovid, Metamorphosen 3, 259-313.

 

 

Fliese 08:

 

    

 

Nach Vorlage GAR 3020.

Bezeichnungen auf der Vorlage ‘22‘ und ‘Apollo en Marsias‘.

Apollo häutet den Satyr Marsyas: Ovid, Metamorphosen 6, 382-400.

 

 

Fliese 09:

 

    

 

Nach Vorlage GAR 3008.

Bezeichnungen auf der Vorlage ‘8‘ und ‘Diana en Endumion‘.

Diana und Endymion: Ovid, Metamorphosen 7, 700-723.

 

 

Fliese 10:

 

    

 

Nach Vorlage GAR 3003.

Bezeichnungen auf der Vorlage ‘3‘ und ‘Andromeda‘.

Perseus tötet Cetus und rettet Andromeda: Ovid, Metamorphosen 4, 664-739.

 

 

Fliese 11:

 

          

 

Nach Vorlage GAR 3044 mit Benutzung der Durchstaubschablone GAR 3140.

Bezeichnungen auf der Vorlage ‘21‘ und ‘Minervaes geboorte‘.

Die Geburt der Minerva: Ovid, Metamorphosen 5, 297.

 

 

Fliese 12:

 

      Durchstaubschablone fehlt.

 

Nach Vorlage GAR 3045.

Bezeichnungen auf der Vorlage ‘22‘ und ‘Mars en Venus‘.

Mars und Venus: Ovid, Metamorphosen 4, 171-184.

 

 

Fliese 13:

 

          

 

Nach Vorlage GAR 3141 mit Benutzung der Durchstaubschablone 3137.

Bezeichnungen auf der Vorlage ‘18‘ und ‘Neptunus als een ram bij de nimph Bisaltis‘.

Neptun als Schaf bei der Nymphe Bisaltis: Ovid, Metamorphosen 6, 117, 118.

 

 

Fliese 14:

 

    

 

Nach Vorlage GAR 3010.

Bezeichnungen auf der Vorlage ‘10‘ und ‘Procrus en Cephalus‘.

Procris und Cephalus: Ovid, Metamorphosen 7, 794-862.

 

 

Fliese 15:

 

          

 

Nach Vorlage GAR 3141 mit Benutzung der Durchstaubschablone 3137.

Bezeichnungen auf der Vorlage ‘18‘ und ‘Neptunus als een ram bij de nimph Bisaltis‘.

Neptun als Schaf bei der Nymphe Bisaltis: Ovid, Metamorphosen 6, 117, 118.

 

 

Fliese 16:

 

          

 

Nach Vorlage GAR 3027 mit Benutzung der Durchstaubschablone 3123.

Bezeichnungen auf der Vorlage ‘4‘ und ‘Apollo doot t monster Phiton‘.

Apollo tötet den Drachen Phyton: Ovid, Metamorphosen 1, 438-444.

 

 

 

Bitte beachten Sie meine Veröffentlichungen im Internet zur Fliese 05

AENEAS TRÄGT SEINEN VATER AUS DEM BRENNENDEN TROJA

www.tegels-uit-rotterdam.com/aeneastraegtseinenvater.html

AENEAS DRAEGT SYN VADER UIT HET BRANDENDE TROJA

www.tegels-uit-rotterdam.com/aeneasdraegtsynvader.html

 

Benutzte Literatur

Jan Pluis, Bijbeltegels – Bibelfliesen, Münster 1994.

Jan Pluis & Reinhard Stupperich, Mythologische voorstellingen op Nederlandse tegels, Leiden 2011.

 

Ich danke Herrn Piet Ratsma - früherer Mitarbeiter des Gemeentearchief Rotterdam - für seine Hilfe, Frau Anna Dyroff für die Farbaufnahmen der Fliesen in der Sammlung Ludwig und meinem Sohn Norbert für die Bearbeitung und Veröffentlichung dieses Berichtes.