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Rotterdamer Fliesen des 18. Jahrhunderts
im ‘Onze-Lieve-Vrouwehospitaal‘ (Kortrijk)

 

Kortrijk (französich Courtrai, früher auch Cortrick) ist eine Stadt in der Provinz Westflandern in der Region Flandern in Belgien. Die Stadt liegt nur wenige Kilometer von der belgisch-französischen Grenze entfernt. In Kortrijk wird Niederländisch gesprochen.

 

Onze-Lieve-Vrouwehospitaal ist ein katholisches Krankenhaus in der  Stadt Kortrijk. Sowohl den mittelalterlichen Komplex als auch das neue Hospital findet man im Stadtteil Buda. Das Hospital wurde 1211 gegründet und ist damit das älteste Krankenhaus in Kortrijk und eins der ältesten von Belgien.

 

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Onze-Lieve-Vrouwehospitaal

 - Mittelalterlicher Flügel -

Ursprünglich war das Onze-Lieve-Vrouwehospitaal eine Herberge. Die Bezeichnung Hospital (lateinisch: hospitalis) bezieht sich zunächst auf Gastfreundschaft, nicht auf Krankheit. Das Hospital befand sich direkt vor den Toren der Stadt, auf dem Weg nach Brügge und nach Menen. Nach dem Schließen der Stadttore konnten Gäste dort übernachten. Später wurden dort auch arme Menschen betreut. Auf den Stationen war nicht die medizinische Versorgung von zentraler Bedeutung, es ging mehr um Seelsorge und Gastfreundschaft gegenüber Fremden und Pilgern. Ab 1454 wurde Buda dank der neuen Stadtmauer in die Stadt eingegliedert, die das Hospital auch vor möglichen externen Überfällen schützte.

 

 

Rotterdamer Fliesen aus der Zeit um 1775-1780 in der alten Küche

 

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Alte Klosterküche

 

Die Wände der mit modernen und historischen Haushaltsgeräten ausgestatteten Küche wurden um 1775-1780 bis zur Decke mit blau bemalten Rotterdamer Fliesen bekleidet. Zu beachten ist das freigelegte Ziegelstein-Tonnengewölbe auf Holzbalken.

 

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Detail der Fliesenwand mit Kupfergeschirr auf einer hölzernen Konsole

 

Fliesen der Art A.03.01. Landschap op doorlopend land; hoekmotief: spin (Landschaft auf durchlaufendem Grund; Eckmotiv: Spinne) und A.03.11 Zeewezen op doorlopende zee; hoekmotief: spin (Seewesen auf durchlaufendem Wellenband; Eckmotiv: Spinne).

Markant ist die Gestaltung des durchlaufenden Grundes der Landschaftsfliesen mit den eigenartigen Halbkreisen.

 

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Lichtdurchflutete alte Küche

 

In die Türwand eingelassen sieht man zwei manganfarben gemalte Tableaus, die Kreuzigung Christi und eine Mariendarstellung.

 

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Fliesentableaus in der keramischen Wandfläche

 

An den Kantenbeschädigungen der die beiden Tableaus umgebenden Fliesen ist zu erkennen, dass diese später in die keramische Wandfläche integriert wurden.

Bei dieser Nacharbeit wurden auch Utrechter Fliesen eingesetzt, siehe zum Beispiel die hellere Fliese links neben der Ente.

 

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Gleiche Fliesentableaus gibt es in einem Bauernhaus in Zeveneken, einem Dorf in der Belgischen Provinz Oost-Vlaanderen. Das Bauernhaus wurde 1845 gebaut.

Die Tableaus O:Lieve:Vrouw und Kreuzigung Christi gibt es auch in gleicher Anordnung in einem Bauernhaus in Lamswaarde, in der niederländischen Provinz Zeeland. Dieses Haus wurde 1834 gebaut.

 

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Vorlage für das Fliesentableau O:LIEVE:VROUW war ein kleines Andachtsbild aus dem Jahr 1640. Es zeigt das Gnadenbild „Unsere Liebe Frau von Luxemburg” (CONSOLATRIX AFFLICTORUM ORA PRONOBIS / Trösterin der Betrübten bitte für uns).

Das Wallfahrtsbild in Kevelaer
Enge Beziehungen zu Luxemburg und seinem Gnadenbild hält die niederrheinische Stadt Kevelaer, denn dort wird seit 1642 ein Andachtsbild der Luxemburger Madonna verehrt. Die dortige Wallfahrt geht auf Marienerscheinungen 1641/1642 während des Dreißigjährigen Krieges zurück. Rund um den kleinen Kupferstich und einen schlichten Bildstock entstand 1654 nach dem Vorbild von Scherpenheuvel in Brabant die sechseckige Gnadenkapelle. Der Pilgerzulauf ebbte durch alle Generationen und Jahrhunderte nicht ab: Kevelaer zählt jährlich mehr als 800.000 Pilger aus dem In- und Ausland. Sie machten die Stadt zum größten Wallfahrtsort Nordwesteuropas.

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Küchenbord mit Zinngeschirr vor der Fliesenwand

 

Wer könnte die Fliesen für die Klosterküche geliefert haben?

In der Zeit um 1775 – 1780 gab es in Rotterdam Fliesenmanufakturen in der Hoogstraat (Johannes van der Wolk) und am Schiedamsedijk / Leuvehaven (Aalmis / Verwijk). Es gibt keinen mir bekannten schriftlichen Nachweis über den Lieferanten der Fliesen.

Informationen zu Produkten beider Werkstätten finden Sie unter:

Jan Pluis, Die letzten Rotterdamer Fliesenmanufakturen 1, Het Wapen van Dantzich, Hoogstraat www.tegels-uit-rotterdam.com/wolk_d.html und

Jan Pluis. Die letzten Rotterdamer Fliesenmanufakturen 2, Schiedamsedijk / Leuvehaven www.tegels-uit-rotterdam.com/schi_d.html.

 

 

Besprechungszimmer

 

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Komplette Fliesenbekleidung der Wandflächen in der ‚spreekkamer‘, dem Besprechungszimmer

 

Die Fliesenbekleidungen dieses Raumes wurden um 1845 ausgeführt.

 

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Detail der Sockelfläche.

Landschafts- und Tierdarstellungen wechseln in ungleichem Rythmus

 

In der Fläche sieht man, erkennbar an Kantenbeschädigungen, Fliesen einer Zweitverwendung.

 

Wer lieferte die Fliesen?

Da schriftliche Nachweise fehlen, schreibe ich die manganfarben bemalten Fliesen und die mit Abbildung 05 gezeigten Tableaus der letzten Rotterdamer Fliesenwerkstatt Schiedamsedijk / Leuvehaven zu.

Willem van Traa kaufte 1843 von Erben des Cornelis Roeland Verwijk die Fliesenmanufaktur, in der beinahe zwei Jahrhunderte die bekannten Familien Aalmis und Verwijk Fliesen und Fliesentableaus fertigten. Unter den bei van Traa beschäftigten Malern war Hendrik Dekker der Beste und mit der Anfertigung von Tableaus betraut.

Die Aera der berühmten Rotterdamer, seit 1609 nachgewiesenen Fliesenmanufakturen, endete, als Willem van Traa 1853 die Herstellung von Fliesen und Fliesentableaus stoppte.

 

 13a        13b        13c

                                                                   

 

 13d       13e         13f

                                                                     

 

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Detail aus dem Besprechungszimmer

 

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Kreuzigungsszene

Neben Jesus am Kreuz sieht man links Maria, die Mutter Jesu, rechts den Lieblingsjünger Johannes und Maria von Magdala

 

Die Tableaus sind umrahmt von Randfliesen A.14.06 Slingerdecor und Eckstücken A.15.01 Randhoek met centraal hoekdecor.

Tableaus und uni weiße Wandfliesen werden nochmals umrahmt von einer Reihe manganfarbenen, geflammten Fliesen D.08.00.03 Gevlamd.

 

 

Bildnachweis

01 Wikipedia

02-05 Peter Sprangers

06 Jan Pluis

07 Wikipedia

08-15 Peter Sprangers

 

 

Benutzte Literatur

Wikipedia

Die von mir angegebenen Codierungen entsprechen den international anerkannten Codierungen von Jan Pluis in De Nederlandse Tegel Decors en benamingen 1570 – 1939 (Leiden 2013).

 

 

Ich danke der Verwaltung des Krankenhauses, Peter Sprangers für die Überlassung seines Bildmaterials, Jan Pluis für vielfältige Hilfe und meinem Sohn Norbert für Bearbeitung und Veröffentlichung des Berichtes.

 

 

Adresse

Onze-Lieve-Vrouwehospitaal
Budastraat 37
8500 Kortrijk
Belgien 

*Der Innenhof ist zugänglich. Die Kapelle ist täglich geöffnet von 9.30 bis 12 Uhr und von 14.30 bis 16 Uhr. Keine Besichtigungen während der Gottesdienste.

Die alte Küche und das Besprechungszimmer sind nicht zu besichtigen!