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VON JAN AALMIS GEMALTE KREUZWEGSTATIONEN
IN DER REGION HUELVA / SPANIENSpanische Fliesenfreunde fanden 1999 in der Provinz Huelva den Leidensweg Christi darstellende niederländische Fliesentableaus. Sie nannten mir vertraulich den Ort, wo diese Tableaus zu finden waren. Im April 2000 reiste ich nach Spanien und konnte in der Karwoche (Semana Santa) die Mitte des 18. Jahrhunderts von Jan Aalmis in Rotterdam gemalten Fliesentableaus sehen, fotografieren und den Kreuzweg (1) gehen. Leider fand ich die kunsthistorisch besonders wertvollen Fliesentableaus in einem bedauernswerten Zustand vor. Sie waren an Außenmauern eines Landgutes und Umfriedungsmauern des angrenzenden Gartens angesetzt und seitdem die kleinen Schutzdächer abgefault waren Wind und Wetter ausgesetzt.
Ich bat mehrere Institutionen und Privatpersonen in den Niederlanden in Zusammenarbeit mit spanischen Fliesenfreunden die noch vorhandenen Kreuzwegstationen vor dem totalen Verlust zu retten.
Die Fliesentableaus wurden 2002 von den Wänden abgenommen und in das Museo de Bellas Artes de Huelva gebracht.
Mein Besuch der ’Huerta Noble’ im April 2000
Unabhängig vom ästhetischen und historischen Wert der Fliesentableaus verlieh die Tatsache, dass diese - wenn auch sehr stark beschädigt - in ihrem ursprünglichen architektonischen Zusammenhang bewahrt waren, dem Ganzen zusätzliche Bedeutung. Die Orte, an denen sich die Fliesentableaus des Kreuzwegs befanden waren ungewöhnlich, da sie sich nicht in oder an einer Kirche befanden, sondern an Gebäuden landwirtschaftlicher Nutzung und Mauern, die einen Obst- und Gemüsegarten einfrieden. Die landwirtschaftliche Nutzung der ,Huerta Noble' erstreckt sich einerseits auf das offene sehr weite Land mit riesigen Erdbeerfeldern und Orangenhainen sowie andererseits auf einen großen von Mauern umfriedeten Garten.
Das Landgut besteht aus einem Haus mit angebauter Kapelle, Wassermühle, Sammelbrunnen, Bewässerungskanälen und langen Einfriedungsmauern. Neben dem Haus befindet sich ein riesiger Taubenschlag (2). Die Gebäude können der Mitte des 18. Jahrhunderts zugeordnet werden.Der Bauherr
Don Manuel de Rivero (1697 - 1778) war Bauherr der ,Huerta Noble'; in alten Schriftstücken auch ,Huerta del Carmen' genannt.
Unter seinen Landgütern ist das damalige Musterlandgut ,Huerta Noble' besonders hervorzuheben. Die Ländereien wurden zwischen 1747 und 1751 von zwölf verschiedenen Vorbesitzern erworben.
Rivero ließ auf Schiffen über den im Süden an das Anwesen angrenzenden Kanal und auf den Rücken von Mauleseln Mutterboden heranschaffen, um den Ertrag an Oliven und Orangen zu steigern. Er veröffentlichte eine Broschüre, in der von ihm Gründe dargelegt wurden, die ,Huerta Noble' als Musterlandgut zu schaffen.
Auf den Außenmauern des Landgutes und den Begrenzungsmauern ließ Don Manuel de Rivero die vierzehn Fliesentableaus des Kreuzwegs anbringen.
Wahrscheinlich wurden die Fliesen aus Rotterdam von einem seiner Schiffe mitgebracht, denn Don Manuel de Rivero pflegte ausgedehnte Handelsbeziehungen zu den Niederlanden.
Rivero bewohnte in Cadiz in der ,Calle de la Carne' (Fleischstrasse) ein Haus, wofür er hohe Miete an die flämische Gemeinde der Stadt zahlte.
Don Manuel de Rivero kannte bestimmt die in Cadiz in den Kirchen ‚Santa Maria’ und ‚San Augustin’ mit niederländischen Fliesen ausgeführten keramischen Wandbekleidungen.Zustand der Fliesentableaus an Wänden der ,Huerta Noble' (April 2000)
Die Fliesenarbeiten setzten sich aus vierzehn Stationen eines Kreuzweges sowie einem separaten Tableau zusammen. Auf diesem separaten Tableau, das sich noch an einer Seitentür des Hauses befindet, liest man das Datum ,1750'. Die Stationen des von Jan Aalmis in Rotterdam gemalten Kreuzweges waren an Wänden der Gebäude des Landgutes und den Wänden angesetzt, die einen Obst- und Gemüsegarten umgeben. Der Kreuzweg begann und endete an der zum Anwesen gehörenden Kapelle. Die Tableaus bestehen aus jeweils 7 x 10 Fliesen, sind kobaltblau gemalt und stellen Szenen des Kreuzwegs dar. Jedes Tableau hat eine integrierte Rahmung und die Benennung der Station in Grossbuchstaben. Die siebte Station trug die Signatur des Jan Aalmis aus Rotterdam. Die Fliesen haben einheitlich die Masse 130 x 130 x 8 mm.
Bei meinem Besuch im April 2000 gelang es mir nicht, die vierte Station (Jesus begegnet seiner betrübten Mutter), die sechste Station (Veronika reicht Jesus das Schweißtuch), die siebte Station (Jesus fallt zum zweiten Mal unter dem Kreuz) und die achte Station (Jesus begegnet den weinenden Frauen) zu finden. Die vierte Station wurde wahrscheinlich bei den Anbauten von Kühlräumen zerstört oder befindet sich hinter den neu errichteten Mauern. Die Stationen sechs, sieben und acht wurden von Mitarbeitern der Universität Sevilla noch 1999 dokumentiert. Als ich die ‚Huerta Noble’ im April 2000 besuchte lagen diese drei Kreuzwegstationen - wahrscheinlich endgültig verloren - unter einem auf mehreren Metern umgestürzten Mauerteil. Die damals noch in situ vorhandenen Tableaus waren teils unvollständig. Risse im Mauerwerk hatten auch Fliesen reißen lassen und vor allem hatte sich Glasur in großen Teilbereichen von den keramischen Scherben gelöst.
Die vierzehnte Station (Der Leichnam Jesu wird in das Grab gelegt) zeigte durch Schweißarbeiten verursachte Beschädigungen und somit dass den Fliesentableaus in den letzten Jahren keinerlei Bedeutung beigemessen wurde.
Anmerkungen
(1) Die Kreuzwegandacht ist die Betrachtung des Leidensweges Christi an vierzehn sogenannten ,Stationen'.
Sie wurde angeregt durch die im Mittelalter beliebten, besonders von den Franziskanern geförderten geistlichen Wallfahrten nach Palästina und die Nachahmung des Jerusalemer Pilgerbrauchs, den Kreuzweg Christi vom Haus des Pilatus bis Golgotha betend abzuschreiten.
Primäre Formen des Kreuzwegs sind die sogenannten Labyrinthe der gotischen Kathedralen von Reims, Amiens und Chartres, die Ersatz für eine Pilgerfahrt nach Jerusalem bieten wollten, sowie der ,hl. circulus' der Franziskaner, der seit dem 14. Jahrhundert beauftragten Hüter der heiligen Stätten. In Spanien entstanden schon 1423 der Freilicht-Kreuzweg des Dominikaners Álvarez im Kloster Scala coeli bei Córdoba und 1456 ein Freilicht-Kreuzweg des Franziskaners Ph. von Aquila.
(2) Wahrscheinlich wurde der riesige Taubenschlag errichtet, um die Exkremente der Vögel als Dünger zu nutzen. Exkremente der Tauben haben den Mörtel und die Fliesen geschädigt. Chemische Untersuchungen von mir an Ort und Stelle entnommener Mörtelproben bestätigten dies.Literatur zu niederländischen Fliesen in Spanien u.a.:
J.M. dos Santos Simões, ´Carreaux ceramiques Hollandais au Portugal et en Espagne´ (La Haye 1959)
Ilse Marggraf - Wilhelm Joliet, ´Rotterdamer Fayencefliesen in der Kapelle des Hospitals San Juan de Dios in Cadiz´ in: KERAMOS Heft 150 Oktober 1995 (Seiten 149-200)
Wilhelm Joliet, ´Die Geschichte der Fliese´
(Verlagsgesellschaft Rudolf Müller, Köln 1996, ISBN 3-481-01146-6)Fotodokumentation der Kreuzwegstationen
Erste Station (PRIMERA ESTACION)
Jesus wird zum Tode verurteiltZweite Station (SEGUNDA ESTACION)
Jesus nimmt das schwere Kreuz auf seine SchulterDritte Station (TERCERA ESTACION)
Jesus fällt zum ersten Mal unter dem KreuzDie vierte Station (CUARTA ESTACION)
Jesus begegnet seiner betrübten MutterFünfte Station (QUINTA ESTACION)
Simon von Cyrene hilft Jesus das Kreuz tragen
Sechste Station (Veronika reicht Jesus das Schweißtuch)
Siebte Station (SEPTIMA ESTACION)
Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz
Die sechste und achte Station fand ich im April 2000 nicht mehr. Diese zwei Kreuzwegstationen lagen - wahrscheinlich endgültig verloren - unter einem auf mehreren Metern umgestürzten Mauerteil.
Achte Station (OCTAVA ESTACION)
Jesus begegnet den weinenden FrauenDieses Foto wurde im September 1999 von Mitarbeitern der Universität Sevilla aufgenommen. Herr Prof. Alfonso Pleguezuelo Hernandez stellte es mir freundlicherweise zur Verfügung.
Neunte Station (NOVENA ESTACION)
Jesus fällt zum dritten Mal unter dem KreuzZehnte Station (DECIMA ESTACION)
Jesus wird seiner Kleider beraubtElfte Station (UNDECIMA ESTACION)
Jesus wird an das Kreuz genageltZwölfte Station (DUODECIMA ESTACION)
Jesus stirbt am KreuzVictoria & Albert Museum London
Diese von >>J. Aalmis<< signierte Darstellung der Kreuzigung ist identisch mit dem Tableau aus der Provinz Huelva. Sie soll aus einer von Spaniern erbauten Kirche aus Courtrai (flämisch = Kortrijk) stammen.Maastricht (>>Huis in den Tuin<<, Capucijnenstraat 45)
Das von Johan Aalmis gemalte und signierte Fliesentableau am Kamin ist in der Darstellung identisch mit den Mittelteilen der Tableaus aus der Provinz Huelva und im Victoria & Albert Museum. Es spricht alles dafür, dass bei den drei Tableaus die gleiche Durchstaubschablone benutzt wurde. Die Kreuzwegstationen wurden im dritten Viertel des 18. Jahrhunderts gemalt. Jan Aalmis jun. (1714 bis 1799) und sein Bruder Jan Bartholomeus Aalmis (1725 bis 1786) leiteten die Werkstatt >>De Bloempot<< an der Westseite des Schiedamschedijk von 1748 bis 1786 gemeinsam.
Details der Kreuzwegstationen aus der Provinz Huelva und dem Victoria & Albert Museum
Vergleich der Köpfe der hl. Maria und des hl. Johannes
aus den Tableaus in der Provinz Huelva und aus MaastrichtVergleich des wichtigsten Details der Kreuzigungsszene aus London und Maastricht
Zu beachten sind zum Beispiel die unterschiedlichen Querbalken der Kreuze und die unterschiedlichen Hinweise INRI und IESUS NAZARENUS REX JUDAEORUM
Interessant ist auch der Vergleich der weinenden Frauen unter dem Kreuz aus den Kreuzwegstationen in London und Maastricht. Alles spricht dafür, dass die Tableaus aus Huelva, London und Maastricht unter Benutzung der gleichen Durchstaubschablone von gleicher Hand gemalt wurden.
Detail der Signatur des Joh“.Aalmis. Es ist leider noch nicht erforscht, welcher Jan bzw. Johan der Maler war.
Mir ist es bis heute noch nicht gelungen, graphische Vorlagen für die Kreuzwegstationen zu finden. Für Hinweise wäre ich dankbar.* Das Tableau aus Maastricht wurde in dem Buch von Jan Pluis, ´Bijbeltegels – Bibelfliesen´ auf Seite 526 abgebildet und auf Seite 708 beschrieben.
* In meinem Buch ´Die Geschichte der Fliese´ habe ich das Tableau aus Maastricht auf Seite 122 und das Tableau aus der Sammlung des Victoria & Albert Museum auf Seite 142 abgebildet und beschrieben.Dreizehnte Station (TERCIADECIMA ESTACION)
Jesus wird vom Kreuz genommen in den Schoss seiner Mutter gelegt
Vierzehnte Station (QUARTADECIMA ESTACION)
Der Leichnam Jesu wird ins Grab gelegtDas Foto aus dem Jahr 1999 stellte mir freundlicherweise Herr Prof. Alfonso Pleguezuelo Hernandez von der Universität Sevilla zur Verfügung.
Im April 2000 fand ich das Tableau in diesem bedauernswerten Zustand. Partien waren durch Schweißarbeiten zerstört.
Hoffentlich gelingt es, Sponsoren zu finden, die Kosten unbedingt erforderlicher Restaurierungsmaßnahmen übernehmen, damit eine oder mehrere dieser kulturhistorisch so wertvollen Kreuzwegstationen der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden.
Erstrebenswert ist die Rückkehr zumindest einer Kreuzwegstation aus Huelva nach Rotterdam.