HOME     www.tegels-uit-rotterdam.com

 

Genredarstellungen auf Rotterdamer Blumenvasentableaus im Sommerspeisesaal 
der UNESCO-Welterbestätte Schloss Augustusburg

 

 01

Blick von Osten auf Schloss Augustusburg

 

Schloss Augustusburg zählt als Lieblingsresidenz des Kölner Kurfürsten und Erzbischofs Clemens August aus dem Hause Wittelsbach (1700 - 1761) zu den ersten bedeutenden Schöpfungen des Rokoko in Deutschland.

Im Auftrag Clemens Augusts begann zunächst der westfälische Baumeister Johann Conrad Schlaun 1725 mit der Errichtung des Schlosses auf den Ruinen einer mittelalterlichen Wasserburg.
Ab 1728 erhielt das Schloss Augustusburg unter dem kurbayerischen Hofbaumeister François de Cuvilliés seine Ausgestaltung als herausragende Residenz dieser Zeit. Bis zu seiner Vollendung 1768 wirkten hier namhafte Künstler von europäischem Ruf. Beispielhaft sei Balthasar Neumann genannt, der den Entwurf für das Prunktreppenhaus anfertigte, ein Bravourstück, eine hinreißende Schöpfung voller Dynamik und Eleganz

Der Nachwelt in Erinnerung geblieben ist Kurfürst Clemens August (1700-1761) als prunkliebender Rokokofürst, der eine prachtvolle Hofhaltung betrieb und zahlreiche Schlösser bauen bzw. umbauen ließ. Zwei der bekanntesten sind die UNESCO-Welterbestetten Schloss Augustusburg und Jagdschloss Falkenlust in Brühl, zwischen Bonn und Köln.

 

 02

Blick in den Sommerspeisesaal (Ecke Ost-Südwand)

 

Sommerspeisesaal

In die Zeit um 1740 datiert die neue Raumgestaltung im Corps de Logis, die Voraussetzung für die vom Münchner Hofbaumeister François de Cuvilliés geplante neue Raumfolge für das Empfangs-und Regierungszeremoniell. Hierfür musste das Treppenhaus an der Nordseite der Durchfahrt angeordnet und der vorhandenen Bausubstanz angepasst werden. Für diese Planung gewann Clemens August den namhaften Baumeister Balthasar Neumann. Dieser weilte - soweit bekannt - zum ersten Mal 1740 in Brühl. Der späteste fassbare Besuch Neumanns in Brühl ist für 1745 bezeugt. Die Ausführung der Entwürfe Neumanns lag in Händen des von ihm geschätzten Michael Leveilly.

Auf der Fläche des heutigen Sommerspeisesaals befand sich bis zum Bau des repräsentativen Treppenhauses nach Entwürfen des berühmten Baumeisters Balthasar Neumann das Treppenhaus. Zu Diners des kurfürstlichen Hofes stand spätestens seit Mitte der 1740er Jahre der mit seinen weiß-blauen Fliesendekorationen prunkende Sommerspeisesaal zur Verfügung.

Die Wände des Sommerspeisesaals sind vollständig mit Dekor- und Bildfliesen bekleidet. Im Muster wechseln sich rein weiße und floral ornamentierte Fliesen ab. Hauptmotive bilden acht Genreszenen (jeweils 8x4=32 Fliesen), mit Trictrac- und Kartenspielern sowie tanzende Bauern, die mit lockerem Pinsel in Blau und Weiß gemalt sind. Sechsundzwanzig Blumenstücke (jeweils 8x4=32 Fliesen) und 1 Blumenstück (6x4=24 Fliesen) sind beherrschende Motive der Fliesendekoration. Jedes Fliesenbild ist in kobaltblauer Inglasurmalerei auf weißem Grund ausgeführt. Einhundertsechszehn Darstellungen aus der Commedia dell’Arte (jeweils 3x2 Fliesen), wie Arlecchina (Harlekine) und Arlecchino (Harlekin) formieren sich zu äußeren und inneren Rahmungen.
Als Ornamentfliesen wurden ‚Violieren’ (Pluis, A.01.05.57) im Wechsel mit uni weißen Fliesen, und „Kievitseitjes“ (Pluis, A.01.05.42) als Rahmung der Fensternischen verarbeitet. Die Dekoration zählt zu den originellsten der Zeit.
Leider wurden bisher keine Dokumente zu Bestellungen, Lieferungen und / oder Kosten gefunden. Als Herstellungsort der Fliesen kann Rotterdam angenommen werden, da Durchstaubschablonen für Darstellungen in den Medaillons der Blumenvasentableaus sich im Gemeentearchief Rotterdam befinden. Eine Zuschreibung an die Fayencewerkstatt der Familie Aalmis kann wegen der Ähnlichkeit der Blumenvasentableaus mit dem Hauszeichen der Werkstatt Aalmis und der Verwendung der grafischen Vorlage für Details der Blumenvasentableaus im Sommerspeisesaal erfolgen. Die Ornamentfliesen der Art ‚Violieren’ und ‚Kievitseitjes’ sind im Rotterdamer Musterbuch  (Gemeentearchief Rotterdam THA 3195) abgebildet.

 

 03

 

Blumenstück im Sommerspeisesaal von Schloss Augustusburg mit Medaillon auf der Vase

 

Hohe Henkelvasen auf Postamenten sind mit prunkenden Blumensträußen gefüllt. Insekten umschwärmen die Blumen. Für die Darstellungen in den Medaillons der Blumenvasentableaus befinden sich zum Teil Durchstaubschablonen im Gemeentearchief Rotterdam.

 

 

Darstellungen in Medaillons, für die Durchstaubschblonen im Rotterdamer Archiv liegen:

 04

Tanzendes Paar vor einer Balustrade (1) auf der mit Bild 03 gezeigten Vase  

 

 

 05

Tanzendes Paar vor einer Balustrade (2)

 

Unter Verwendung gleicher Durchstaubschablone gab sie dem Fliesenmaler Freiheit in der Ausführung von Details.

 

 06

 

Diese Durchstaubschablone im Format von ca. 10,5 x 12,5 cm liegt im Gemeentearchief Rotterdam als Inv.Nr. 3186.  
Die in diesem Bericht abgebildeten Durchstaubschablonen zeigen die Unterseiten, die beim Pausen auf den Fliesen auflagen. Die Oberseiten der Durchstaubschablonen sind schwarz vom Holzkohlepulver.

 

 

 07

Begrüßung im Park

 

 08

Diese Durchstaubschablone im Format von ca. 10,5 x 12,5 cm liegt im Gemeentearchief Rotterdam als Inv.Nr. 3176.  

Herr und Dame wurden von der Vorlage der Durchstaubschablone übernommen, die Person im rechten Hintergrund und den markanten Baum ließ der Fliesenmaler als Freiheit der Ausführung von Details weg.

 

 

 

 09

Mann und Frau in einer von einem Pferd gezogenen einachsigen Kutsche

 

 10

 

Diese Durchstaubschablone im Format von ca. 10,5 x 12,5 cm liegt im Gemeentearchief Rotterdam als Inv.Nr. 3171.

Von der Durchstaubschablone wurde das Gebäude mit der Fahne nicht übernommen.

 

 

 11

Der Mann trägt einen großen Früchtekorb auf dem Kopf. Beide Personen tragen kleine Körbe an ihren linken Armen.

 

 12

Diese Durchstaubschablone im Format von ca. 10,5 x 12,5 cm liegt im Gemeentearchief Rotterdam als Inv.Nr. 3194.

Für das Medaillon hat der Fliesenmaler die Darstellung um Haus und Baum reduziert.

 

 

 

Darstellungen in Medaillons, für die keine Durchstaubschblonen im Rotterdamer Archiv liegen:

 13

 Vier Personen beim Billard auf einer Terrasse  

 

 

 14

 Mädchen mit Kranz in der Linken und Hirte mit Hirtenstab in seiner Linken  

 

 

 

Bildnachweis

Landschaftsverband Rheinland: 01, 02 und 03

Gemeentearchief Rotterdam: 06, 08, 10 und 12

Fotos der Verfassers: 04, 05, 07, 09, 11, 13 und 14

   

Mein Dank gilt Herrn Piet Ratsma, Mitarbeiter des Gemeentearchief Rotterdam, für mannigfache Hilfe und meinem Sohn Norbert für Bearbeitung des Berichtes und Veröffentlichung im Internet.

 

Das Hauszeichen der Rotterdamer Fayencewerkstatt ‚De Bloempot‘
www.tegels-uit-rotterdam.com/de_bloempot_deutsch.html

 

Rotterdamer Blumenstücke im Sommerspeisesaal der UNESCO-Welterbestätte Schloss Augustusburg in Brühl
www.tegels-uit-rotterdam.com/blumenstuecke_augustusburg_bruehl.html

 

Rotterdamer Genretableaus im Sommerspeisesaal der UNESCO-Welterbestätte Schloss Augustusburg in Brühl
www.tegels-uit-rotterdam.com/genretableaus_augustusburg.html

 

Rotterdamer Commedia dell’arte-Tableaus im Sommerspeisesaal von Schloss Augustusburg in Brühl
www.tegels-uit-rotterdam.com/commedia_dell_arte_tableaus_augustusburg.html

 

Rotterdamer und Utrechter Fliesen des 18. Jahrhunderts im Sommerappartement von Schloss Augustusburg
www.tegels-uit-rotterdam.com/augustusburg.html

 

Das zweite Vorzimmer des Sommerappartements von Schloss Augustusburg
www.tegels-uit-rotterdam.com/augustusburg.html