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Diesen Bericht widme ich meinen viel zu früh
verstorbenen Fliesenfreunden Rainer Marggraf (1936-1994) und Ilse Marggraf
(1951-2011).
Viele Jahre arbeitete ich mit den international
anerkannten Fliesenspezialisten zusammen. Gerne denke ich an die mit meinem
Fliesenfreund Rainer (Hannibal) durchgeführten Forschungsreisen durch
Frankreich, Spanien und Portugal zurück. Ziel dieser Studienaufenthalte war die
Untersuchung und fotografische Erfassung niederländischer Fliesenbestände. In
Erinnerung an Rainer und Ilse Marggraf und aufgrund der gemeinsamen Vorarbeiten
mit Ilse Marggraf möchte ich diesen Bericht veröffentlichen. Die Veröffentlichung
behandelt achtunddreißig Fliesenbilder mit Darstellungen von Ordensleuten und
geistlichen Würdenträgern aus der berühmten Rotterdamer Manufaktur »De
Bloempot« der Familie Aalmis, die zwischen 1773 und 1775 gefertigt wurden und
sich in der Sakramentskapelle des Hospitals der Barmherzigen Brüder vom hl.
Johannes von Gott (San Juan de Dios) in Cádiz befinden. Das Krankenhaus ist
auch unter dem Namen »Hospital de la Misericordia« bekannt.
Auf Fliesenvorkommen niederländischer Herkunft in Cádiz
machte erstmals 1898 der Franzose La
Laigue (1) aufmerksam. Er habe im Patio einer Kirche in Cádiz blaue und
manganfarbene Fliesen mit ornamentalen und figurativen Kompositionen gesehen.
Sein Freund, der ehemalige französische Generalkonsul in Cádiz, besäße eine
einige dieser Fliesen. Im Hof der Kirche San Francisco habe er eine ganze
Azulejo-Bibel gefunden, u. a. mit Darstellungen Daniels in der Löwengrube, der
Arche Noah und der Ausspeiung Jonas durch den Wal. Die Franziskaner hätten
diese »steinerne Bibel« später entfernen lassen. Die Angaben La Laigues übernahm
H. C. Gallois
(2) in seinem Artikel über Rotterdamer Fliesen. Holländischen Fliesen des 17.
und 18. Jahrhunderts in Andalusien fanden durch spanische Autoren kaum
Beachtung. So konnten bis auf die Aufsätze von César
Pemán (3) und Hipolito
Sanchez Sopranis (4) nur die Untersuchungen des bedeutenden
portugiesischen Fliesenforschers João
Miguel dos Santos Simões (5) für die eigenen Studien herangezogen
werden. Simões erfuhr 1949 auf dem 16. Internationalen Kongress für
Kunstgeschichte in Lissabon von niederländischen Fliesenvorkommen in Andalusien
durch César Pemán, dem damaligen Direktor des Museums für Bildende Kunst in Cádiz
und bereiste daraufhin mehrere Male die spanische Atlantikküste. In seiner
Publikation »Carreaux Céramiques Hollandaise au Portugal et en Espagne « (La
Haye 1959) fasste er seine Studien zusammen.
Seit dem Import niederländischer Fliesen nach
Andalusien zwischen 1675 und 1775 wurden viele Beispiele bei Veränderungen oder
Abriss von Gebäuden zerstört und gelangten zum Teil in unbekannte Hände. Auch
im Hospital San Juan de Dios gingen bei Umbauarbeiten große Mengen niederländischer
Fliesen des 18. Jahrhunderts verloren. Nach Angaben von César Pemán gab es
1930 im Operationssaal des Krankenhauses noch »große manganfarbene
Kompositionen mit Reiterbildern und Szenen aus der Falkenjagd«. Simões konnte
auf seiner ersten Reise nach Cádiz 1949 nur noch die Reste hinter großen Schränken
sehen und beklagte bei seinem zweiten Aufenthalt 1950 zudem den Verlust der »wunderschönen
keramischen Ausschmückung« des Treppenaufganges und der Flure, die er noch ein
Jahr zuvor habe bewundern können. »Es war das größte und besterhaltenste
Ensemble, das ich jemals gesehen habe. Schon 1950 waren die meisten Fliesen
abgenommen, wegen einer Umbaumaßnahme des Krankenhauses. Trotz der guten
Absicht, sie wieder an den angestammten Platz zu bringen, hat man nur eine
bescheidene Menge retten können.« 1959 gab es im Hospital neben den
achtunddreißig Fliesenbildern mit Darstellungen von Ordensgeistlichen und
kirchlichen Würdenträgern noch zwei weitere unvollständige, auf denen die
Figuren eines Unbeschuhten Karmeliters und eines Hieronymiten erhalten waren und
die von Simões fotografiert werden konnten.
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Carmelita Discalceatus 03 Hieronijmita Reformatus
Auf einer Forschungsreise nach Andalusien im Frühjahr
1990 wurden im Hospital San Juan de Dios die achtunddreißig Fliesenbilder mit
Ordensleuten und geistlichen Würdenträgern fotografiert und untersucht. Über
den Verbleib der Fliesenbilder mit den Darstellungen des Karmeliters und des
Hieronymiten konnten Angehörige der Bruderschaft von San Juan de Dios keine
Angaben machen.
Obwohl von der einst opulenten niederländischen
Fliesenausstattung des Krankenhauses heute nur noch ein kleiner Teil vorhanden
ist, handelt es sich dennoch um ein Ensemble von allergrößtem kunst- und
kulturhistorischem Wert.
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Die Fliesengemälde des J. Aalmis befinden sich in
einer kleinen Kapelle in der zweiten Etage des Hauptgebäudes, die schon 1707
bestand und als Sakramentskapelle für die Patienten des Krankenhauses diente.
An den Wänden sind sechsunddreißig Tableaus von je drei Fliesen Breite als
Fries angesetzt, der insgesamt 8 Fliesen hoch ist. Rechts und links neben der
Eingangstür befindet sich jeweils noch ein weiteres Tableau. Die einzelnen
Fliesen weisen das typisch niederländische Format von 130 x 130 x 7 mm auf. Der
Glasurauftrag ist glatt und dicht. Auf jeder Fliese sind zwei Einstichpunkte des
Formbrettes zu erkennen. In der zentralen inneren Fläche jeder Kartusche (3 x 5
Fliesen) ist ein Mönch oder geistlicher Würdenträger dargestellt, in einem für
seinen Orden oder seiner kirchlichen Stellung typischem Gewand, vor einer zart
nuanciert gemalten Landschaft oder einem Bauwerk.
Die manganfarbenen, figurativen Motive werden von einem in Blau ausgeführten
Rokokorahmen umgeben, der in der oberen Mitte von einem manganfarbenen
Granatapfel gekrönt und von zarten manganfarbenen Blumengebinden berankt wird.
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Der Granatapfel symbolisiert in der abendländisch
christlichen Kunst sowohl die Kirche, deren zahlreiche Glieder durch die vielen
Samenkörner verkörpert sind, als auch die Fruchtbarkeit des Geistes und das
Ewige Leben. Außerdem ist der Granatapfel ein Attribut des hl. Johannes von
Gott (San Juan de Dios), dem Namensgeber des Krankenhauses, und steht als Symbol
für die Stadt Granada, in der San Juan de Dios (João Ciudad Duarte, * 1495 -
† 1550) wirkte.
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Evangelienseite, Fliesentableaus von rechts nach
links 1 Romanus Pontifex,
2 Episcopus,
3 Canonicus St. Salvatoris, 4 Monachus Sti. Basilii in Germania
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Evangelienseite,
Fliesentableaus von rechts nach links 4 Monachus Sti. Basilii in Germania, 5
Canonicus Regularis valiis viridis, 6 Dominicanus.
Über den Kartuschen wurde ein einreihiger, in Blau
gehaltener Fliesenrand angesetzt, bemalt mit gerolltem Blattwerk, aus dessen
Mitte eine von einem strahlenförmigen Halbkreis umgebene manganfarbene Blüte
hervortritt. Den Abschluss bilden aneinandergereihte, auf die Spitze gestellte
kleine Quadrate, deren Ecken und Mitten mit einer Blüte geziert sind.
Bei genauer Betrachtung fügt sich diese Randfliesenreihe wenig harmonisch in
das Gesamtbild ein. Sie hat keinen malerischen Zusammenhang und bildet keine
organische Einheit mit der Kartusche, sondern wirkt wie eine aufgesetzte Notlösung
bei der angrenzende Fliesenreihen fehlen. Es können sich nur Vermutungen zu
dieser Lösung anstellen lassen.
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Evangelienseite, Fliesentableaus von rechts nach
links 7 Eremita Sti. Hieronijmi,
Unter den Zentralmotiven befindet sich jeweils eine
weitere in Blau gemalte Kartusche (3x2 Fliesen) mit einer schildartigen Fläche,
die aus diagonal angeordneten, auf die Spitze gestellten Quadraten gebildet
wird. Kreuzblüten füllen die Quadrate aus und mildern die geometrisch strenge
Wirkung. Dieses Dekor trägt die Bezeichnung »bloemruitjes« und wird im
Musterbuch der Rotterdamer Fliesenhersteller (RMT 3195), das im Gemeindearchiv der Stadt
bewahrt wird, abgebildet. An den oberen Enden der Voluten ist beidseitig ein
manganfarbenes Blumengebinde eingehängt und scheint vor den Blütenquadraten zu
schweben.
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»bloemruitjes«, voorbeeldboek RMT 3195-3
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Evangelienseite, Fliesentableaus von rechts nach
links 9 Minorita Discalceatus
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Evangelienseite, Fliesentableaus von rechts nach
links 13 Servita, 14 Monachus
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Evangelienseite, Fliesentableaus von rechts nach
links 16 Monachus Ordinis Crucigerorum, 17 Minorita Conventualis, 18 Eremita
Sti. Pauli
In der Wandecke sieht man Fliesen, die mit Sicherheit
ursprünglich an anderer Stelle und in anderem Zusammenhang angesetzt waren.
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Fliesentableau 19 (neben der Eingangstür) Monachus
Celestinus
Die Fliesen der untersten Reihe wurden am Fußboden
von ursprünglich 130 mm auf 125 mm gekürzt. Im unteren Viertel sind sie mit
einer blauen Marmorimitation bemalt. In der rechten unteren Ecke jedes der
achtunddreißig Fliesentableaus findet man im marmorierten Teil manganfarbenen
die Signatur I. Aalmis Px a Rotterdam.
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Fliese in der unteren rechten Ecke des
Fliesentableaus 19 mit der Signatur.
Die Epistelseite ist die rechte Seite bei Blick auf
den Altar.
Die Zählung beginnt mit der Darstellung 20 Cardinalis Purpuratus Pater.
20 Cardinalis Purpuratus Pater, 21 Canonicus Sti.
Johannis Lateranensis Romae,
16
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Monachus Sti.Benedicti, 24 Canonicus Mantuanus Sti. Mar.,
17
24
Canonicus Mantuanus Sti. Mar., 25 Minorita Observantiae, 26 Augustianus
18
26
Augustianus, 27 Carmelita, 28 Capucinus
19
29
Clericus Hospitalaris Spiritus Sancti Romae, 30 Monachus Mercedis Captivorum, 31
Canonicus Sti.Georgii in Alga Venetiis
20
32
Religiosus Ordinis Agonizanium, 33 Monachus Sti. Antonii, 34 Monachus
Congregationis Ste. Iustinae
21
35
Frater Sti. Ioannis de Paenitentia, 36 Monachus Crucigerorum in Belgio,
In der Wandecke sieht man eine Fliesenreihe mit
Blumengebinden und kleinen Voluten, die mit Sicherheit ursprünglich an anderer
Stelle und in anderem Zusammenhang angesetzt war.
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37 Sacerdos Societatis Jesu. Dissolvero. AT 1773
Am 27. Februar 1767 wurde der Jesuitenorden in
Spanien durch ein Dekret König Karls III. verboten, seine Mitglieder verhaftet
und deportiert.
Papst Clemens
XIV. (1769 - 1774) erklärte
am 21. Juli 1773 auf Druck der Könige von Frankreich, Spanien und Portugal
durch das Breve "Dominus ac Redemptor noster" den Jesuitenorden für
aufgehoben. Lediglich in Preußen und Russland, welche die Breve „Dominus ac
Redemptor noster“ nicht anerkannten, konnten die Jesuiten weiter wirken.
1814 wurde die Aufhebung des Ordens von Papst Pius
VII. rückgängig gemacht.
Die Notiz der Aufhebung des Jesuitenordens im Jahr 1773 in der unteren Mitte der
Rocaillerahmung ist ein Beleg dafür, dass die Fliesentableaus frühestens 1773
in Rotterdam gefertigt wurden.
Rainer
Marggraf konnte bei einem Besuch im Krankenhaus San Juan de Dios die Archivalien
des Ordens der Barmherzigen Brüder einsehen, auf die schon Hipolito Sancho
Sopranis in »La Información del Lunes«, Cádiz, vom 9 und 16 September 1957
hinwies. Im Inventarbuch von 1775, Blatt 28 sind »aus Holland gelieferte
Fliesen mit geistlichen und religiösen Würdenträgern« verzeichnet. Sie
kosteten mit Einbau 63.890 reales de vellón.
Die Fliesentableaus wurden zwischen 1773 und 1775 in der Rotterdamer Manufaktur
»De Bloempot« hergestellt, als die Brüder Jan Aalmis jun. und Jan
Bartholomeus Aalmis diese gemeinsam leiteten. Aus der Signatur I. Aalmis Px a Rotterdam
geht nicht hervor, welcher der beiden Brüder die Tableaus malte.
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38 Barnabita Ambrosianus
Eigenartig ist, dass kein Fliesenbild mit der
Darstellung des Namensgebers bzw. des eines Mitglieds des Ordens der
Barmherzigen Brüder vom hl. Johannes von Gott vorhanden ist und in der älteren
Literatur auch nicht erwähnt wurde.
Hinweis:
Neue Erkenntnisse zu verwendeten grafischen Vorlagen
und Durchstaubschablonen liegen mir vor. Ich möchte darauf hinweisen, dass ich
den nächsten Bericht
"GRAFISCHE
VORLAGEN UND DURCHSTAUBSCHABLONEN
in Arbeit habe, in dem ich die Fliesenbilder aus der
Capilla Sagrario des Hospitals San Juan de Dios grafischen Vorlagen und
Durchstaubschablonen gegenüberstelle.
Benutzte
Literatur
(1)
Laigue, Louis A.M.P. »Une Faïencerie à Rotterdam aux XVII et XVIII Siècles«.
La revue de l’art ancien et moderne. 18 (1896), 228 und 237
(2)
Gallois, H.C. »Over
Rotterdamse tegels«. Mededelingen van den dienst voor kunsten en wetenschappen.
1 (1919), 18-25
(3)
Péman, César »El Arte en Cadix« (Madrid, 1930) und ders. »Alicatados
Hollandeses de Cádiz«. Archivo Espanol de Arte. 137-140 (1962)
(4)
Sancho, Hipolito de Sopranis »La Información del Lunes«. Cádiz, 9 y 16, 23 y
30 de septiembre de 1957
(5)
Simões, João Miguel dos Santos »Carreaux Céramiques Hollandais au Portugal
et en Espagne«.
(6)
Joliet, Wilhelm / Marggraf, Ilse »Rotterdamer Fayencefliesen in der Kapelle des
Hospitals Juan de Dios in Cádiz / Andalusien«
in: KERAMOS, Heft 150, Oktober
1995, 149-200
(7)
Joliet, Wilhelm »Die Geschichte der Fliese«, 1996, 55
Fotonachweis
01-08
und 10-23 Fotoarchiv Rainer Marggraf / Fotograf Karl-Heinz Voth (Aufnahmen vom März
1990)
09
und Bildbearbeitung Wilhelm Joliet
BITTE BEACHTEN SIE AUCH MEINEN BERICHT:
GRAFISCHE
VORLAGEN UND DURCHSTAUBSCHABLONEN FÜR VON JAN AALMIS SIGNIERTE FLIESENTABLEAUS
IN DER KAPELLE DES HOSPITALS SAN JUAN DE DIOS IN CÁDIZ
GEMEENTEARCHIEF
ROTTERDAM
http://www.stadsarchief.rotterdam.nl