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Von Jan Aalmis signierte Jahreszeitentableaus im Couven-Museum in Aachen

 

Im mit dem Haus „Monheim“ zum Couven-Museum vereinten Haus „Zum Lindenbaum“ findet man eine besonders wertvolle Sammlung vornehmlich niederländischer Fliesen.
Das Aachener Stifterehepaar Irene und Peter Ludwig gab 1967 einen Teil ihrer umfangreichen Fliesensammlung als Leihgabe ins Couven–Museum und machte diese Einzelfliesen und Fliesenbilder am 20. März 1982 der Stadt Aachen zum Geschenk.
Die Fliesensammlung wird in den beiden Räumen und im offenen Treppenhaus des Hauses „Zum Lindenbaum“ präsentiert. Während im unteren Raum meist aus vier Fliesen bestehende Felder die große Vielfalt niederländischer Fliesendekoration zeigen, schmücken Fliesenbilder die Wände über der Treppe und im oberen Raum. Trotz musealer Präsentation ist der Charakter eines Aachener Wohnhauses des 18. Jahrhunderts gewahrt.
Im oberen Raum bestechen vom Rotterdamer Fayencemaler Jan Aalmis (1) signierte Darstellungen der vier Jahreszeiten in äußerst präziser Fayencemalerei. Die Fliesenbilder in manganvioletter Inglasurmalerei, umrahmt von marmorierten Teilfliesen, geben dem Raum ein besonderes Flair.

„Frühling“ und „Sommer“

 


„Sommer“ und „Herbst“

 

 

„Winter“

 

 

Der Weg der Fliesenbilder von Rotterdam über Liège nach Aachen

Um 1880 wurde die alte Mühle Dossin im Ortsteil Barbou von Liège abgerissen. (2) Der Lütticher Kunsthändler Antonin Terme (3) kaufte acht manganfarben gemalte Fliesenbilder mit allegorischen Darstellungen, die schon zum Teil im Bauschutt lagen. Signaturen auf den Fliesenbildern belegten, dass diese von Jan Aalmis in Rotterdam gemalt wurden.

    

Ancien moulin Dossin au Barbou à Liège

 

Die Fliesenbilder waren zunächst gerettet und wurden von Antonin Terme zwischen 1883 und 1885 an Fayenceliebhaber aus Liège verkauft. Ein Teil der Fliesenbilder wurde im Haus Nr. 26 am Place du Marché angesetzt. Zu dieser Zeit verkaufte die Firma Marsille Schmuck- und Uhren im Ladenlokal des „AU PAPEGAI“ bezeichneten Hauses.
Im zweiten Zimmer des Erdgeschosses befanden sich die von Jan Aalmis signierten vier Jahreszeiten. Die Allegorie des Winters zierte, wie auch schon in der alten Mühle Dossin, die Schürze des offenen Kamins. Die dem Kamin gegenüber liegende Wand schmückten die allegorischen Darstellungen von Frühling, Sommer und Herbst.
Im dritten Zimmer des Erdgeschosses befand sich ein Fliesenbild in blauer Bemalung. Es zeigte eine Vase in reicher Blütenpracht umgeben von einer Gruppe Hähne und Hühner. Die Vase und die Rahmung des Fliesenbildes waren im Stil Ludwigs XIV. gemalt. Als typisches Merkmal der Epoche bildete im oberen Bereich ein dekorativer kurzer Behang den Abschluss.
Im vierten Zimmer waren alle Wände mit Fliesen bekleidet. Es waren Bibel-, Landschafts- und Kinderspielfliesen. Zwischen diese Einzelfliesen befanden sich noch vier Fliesenbilder. Sie zeigten zwei Hunde und zwei grotesk anmutende Personen. Florent Pholien bezeichnete eine dieser auf Fliesen gemalten Personen ‚frétillant arlequin’.
Bei meinem Besuch im Jahre 1988 befanden sich keine der 1908 von Florent Pholien beschriebenen Fliesen mehr im Haus „AU PAPEGAI“ am Place du Marché.
Das Aachener Stifterehepaar Irene und Peter Ludwig erwarb die Allegorien der vier Jahreszeiten im Kunsthandel und gab sie 1967 mit einem Teil ihrer umfangreichen Fliesensammlung als Leihgabe ins Couven–Museum. Sie machten diese am 20. März 1982 der Stadt Aachen zum Geschenk.
Den Verbleib der Fliesen aus dem dritten und vierten Zimmer konnte ich bisher nicht ermitteln.

Das Haus „AU PAPEGAI“ (mit der Markise „HALLE DU CENTRE“) am Place du Marché

 

Die Allegorie des Frühlings zeigt einen verliebten Schäfer, der einem Mädchen eine Weise auf dem Dudelsack spielt, während diese in einen Korb die ersten Frühlingsblumen sammelt. Das Bild aus 9 x 5 Fliesen hat mit integrierter Rahmung die Maße 119 x 66 cm.

 

 

Die Allegorie des Sommers zeigt zwei zärtlich Liebende. Vor einer Baumkulisse liebkost ein junger Mann ein junges Mädchen, das, zur Erde gebeugt schützend seine Hand über einen Hühnerkorb hält. Auf der Erde liegen ein Ährenbündel und daneben eine Handsichel. Das Bild aus 9 x 5 Fliesen hat mit integrierter Rahmung die Maße 119 x 66 cm.

 

 

Vogelkäfige standen im Rokoko und bis weit ins 19. Jahrhundert hinein in der darstellenden Kunst als Symbole für verlorene Keuschheit.

 

 

Die Allegorie des Herbstes zeigt ein junges Mädchen, das einen Hut mit Weintrauben hochhält. Ein junger Mann greift in stürmischer Umarmung nach beidem. Das Bild aus 9 x 5 Fliesen hat mit integrierter Rahmung die Maße 119 x 66 cm.

 

 

Detail der Allegorie des Herbstes

 

 

Die Allegorie des Winters zeigt Putti am wärmenden Feuer. Das Bild ist mit 7 x 5 Fliesen und 106 x 66 cm um eine Reihe Fliesen kürzer als die Allegorien von Frühling, Sommer und Herbst. Dies resultiert daraus, dass dieses Fliesenbild speziell für eine Schürze über einem offenen Kamin gefertigt wurde.

 

 

  

 

 

Hinweise auf die Fayencewerkstatt Aalmis aus Rotterdam

Alle Darstellungen der vier Jahreszeiten tragen Hinweise darauf, dass diese Fliesenbilder in der Werkstatt der Familie Aalmis (nicht Aelmis) gefertigt wurden. Ob es sich bei diesen Hinweisen wirklich um Signaturen des Jan Aalmis oder lediglich um die Bezeichnung der Werkstatt handelt, ist wissenschaftlich noch zu überprüfen.

         

„Frühling“                                                                   „Sommer“

         

„Herbst“                                                                     „Winter“

 

 

Graphische Vorlagen

Die Allegorien der vier Jahreszeiten wurden in der Rotterdamer Werkstatt mit dem Aushangzeichen „Bloempot“ am Schiedamsche Dijk nach graphischen Vorlagen gemalt.
Für die Allegorien „Frühling“, „Sommer“ und „Herbst“ dienten graphische Blätter von Joseph Wagner, Venezia (4) nach Giacomo Amigone (Jacopo Amiconi) (5) als Vorlagen und für die Allegorie „Winter“ ein Blatt des Pierre Alexandre Aveline II (6) nach François Boucher (7).
Die Blätter „Frühling“, „Sommer“ „Herbst“ und „Winter“ nach Amigone liegen im „Rijksprentenkabinet Amsterdam“ unter den Inventurnummern 1922-258 bis 1922-261. Sie sind in Kupferstich und Radierung gearbeitet. Die Größe der Blätter ist ca. 51 x 33 cm und die Größe der Darstellungen: Frühjahr: 48 x 31 cm, Sommer: 49 x 31,8 cm, Herbst: 48,5 x 31,3 cm, Winter: 49 x 32 cm.
Alle vier Graphiken tragen die Beischriften Amiconi inv. appo Wagner Venezia C.P.E.S.
Die Blätter „Frühling“, „Sommer“ „Herbst“ und „Winter“ des Pierre Alexandre Aveline II nach François Boucher liegen den Kunstsammlungen der Veste Coburg unter den Inventurnummern IX,583,58-61. Die Platten- und Bildgrößen sind: Frühjahr: 32,7 x 23,9 cm / 29,0 x 23,0 cm, Sommer: 33,0 x 24,5 cm / 29,1 x 22,7 cm, Herbst: 33,0 x 24,5 cm / 29,3 x 22,8 cm, Winter: 34,1 x 24,5 / 29,0 x 23,0 cm.
Alle vier Graphiken tragen die Beischriften Pierre Aveline del. Sculp. Bouché pinx., erläuternde Texte von Moraine und den Vermerk a Paris chez Charpentier rue St.jaques au coq.

 

  

„Frühling“                                                        „Sommer“

  

„Herbst“                                                         „Winter“

 

François Boucher

       

„Frühling“                                                                   „Sommer“

 

  

„Herbst“                                                         „Winter“

 

Text von Moraine unter der graphischen Darstellung des Winters:

„Amours, qui nous brulez d’une si vive flamme                           Faites vite des traits pour en blesser Clarice,
Et qui mettez surtout tant de feu dans mon âme,                          Et servez-vous du bois par vos soins ramassé,
S’il se peut que l’hyver éteigne vos chaleurs,                              Ah, son coeur est si dur,qu’avant qu’il soit percé,
Voici comment il faut repousser ces froideurs.                             Vous vous échaufferez à force d’exercice. “

 

 

Integrierte Rahmungen der vier Jahreszeiten

Jan Aalmis entnahm die Rahmungen der Ornamentstichfolge „Die zwölf Monate“ von Johann Esais Nilson (8) aus dem Jahre 1766.
Die Rahmung des Blattes „Augustus“ - mit dem Sternzeichen Jungfrau / Virgo (24. August – 23. September) - wurde vom Rotterdamer Fayencemaler für alle vier Fliesenbilder der Jahrszeiten benutzt. Die  Blätter der Ornamentstichfolge J.E. Nilsons tragen folgende Bezeichnungen:
J:E:Nilson, inv: Sculps: et exud: A: V:         Cum Priv. AA:LL:S.C.M.
Wie die Bezeichnungen angeben, stammen Entwürfe und Ausführung der Blätter von Nilson selbst, der damals gerade Mitglied der kaiserlich-französischen Akademie geworden war und deshalb auf die mit diesem Beitritt verbundenen Privilegien, vor allem auf sein geschütztes Urheberrecht verwies.

 

Text zur Allegorie des Monats August:
Auprés de sa bouteille, en bonne compagnie
Tous ses travaux soufferts le moissonneur oublie;
Sous l’ombre agreable il goute un court repos,
Pour se faire aprés mieux bruler son pauvre dos.

 

Übersetzung:
Wenn der Schnitter mit seinen Kumpanen trinkt,
Die Erinnerung an seine Mühsal versinkt.
Wenn er jetzt ein Plätzchen im Schatten fand,
Wird nachher von der Sonne sein Buckel verbrannt.

 

 

 

Anmerkungen


(1)           Mehrere Mitglieder der Rotterdamer Familie Aalmis waren als „meester-tegelbakker“ Besitzer der „plateel- en tegelbakkerij aan den Schiedamschedijk, westzijde, protocol No. 1405“. Am 24. Dezember 1691 kaufte Pieter Janszn. Aalmis (* 1648 - + 1707) die Werkstatt von den Erben des François van Lier. Pieter Janszn. Aalmis hatte schon einige Jahre die Werkstatt geleitet. Jan Pieterszn. Aalmis (* 1674 - + 1755) folgte seinem Vater Pieter Janszn. Aalmis 1707 in der Leitung der Werkstatt. Jan Aalmis jr. (* 1714 - + 1799) betrieb die Werkstatt mit seinem Bruder Jan Bartholomeus Aalmis (* 1725 - + 1786) seit dem Tod des Vaters. Als Jan Bartholomeus 1786 starb, wurde Jan alleiniger Inhaber. Er verkaufte am 10. September 1787 die Werkstatt an Laurens Verwijk und starb am 30. September 1799.
Die Fliesenbilder „Vier Jahreszeiten“ im Couven – Museum entstanden in der Zeit, in der die Brüder Jan und Jan Bartholomeus Aalmis die Rotterdamer Fayencewerkstatt mit dem Aushangzeichen „De Bloempot“ betrieben. Beide waren ausgezeichnete Fliesenmaler und bekleideten abwechselnd über Jahre das Amt des Vorsitzenden der St. Lukasgilde.


(2)           Pholien, Florent: Contribution à l’histoire de la céramique au Pays de Liège – Panneaux décoratifs et carreaux de revêtement. Bulletin de l’Institut archéologique liègeois. Tome XXXVIII, 1908, S 357-365 und Tafeln 5-8.


(3)           1885 wurde in Liège die Sammlung Antoine Terme versteigert. Ein Versteigerungskatalog ‚Catalogue de la Vente des Collections Antoine Terme, Liège, Grandmond. Donders, 1885’ liegt in der Bibliotheque Publique Centrale. Liège. In diesem Katalog sind unter den Nummern 100 bis 107 einschließlich von Jan Aalmis Rotterdam signierten Tableaus verzeichnet. Eigenartig ist der Vermerk zu 100: „ Cette composition et celles des tableaus suivants, nos 101 à 107, sont d’un grand effet et portent la signature: J. AALMIS, À ROTTERDAM.


100          Tableau en carrelage, représentant l’Hiver, grande composition de neuf figures, groupées au bord d’un étang gelé ou patinant sur la glace, décor manganèse. Le tableau porte cette légende: La belle pur braver le froid, avec courage, Passe du pont glacé le périlleux passage La nature semblent de glace se couvrir Pour commenser le temp pour un nouveau plaisir. Haut. 1m70; larg. 0m90.

Es handelt sich eindeutig um die Darstellung Januarius aus der Stichfolge ‚Die zwölf Monate’ von Johann Esaias Nilson aus dem Jahre 1766.

 100

 

101          Tableau en carrelage, représentant une pastorale, décor manganèse. Haut. 1m70; larg. 0m90

102         Tableau en carrelage, représentant la cueillette des pommes, décor manganèse. Haut. 1m70; larg. 1m05. Dieses Fliesenbild war im Katalog abgebildet:


 102

Die Darstellung entspricht dem Blatt Septembre der Stichfolge ‚Die zwölf Monate’ von Johann Esaias Nilson aus dem Jahre 1766, die Rahmung dem Blatt Augustus. Es ist allerdings richtig das Sternzeichen Waage für September eingefügt. Diese Abbildung entnahm ich dem Versteigerungskatalog Antoine Terme.


103          Tableau en carrelage, représentant l’entrée d’une auberge, composition animée de plusieurs personnages, décor manganèse. Haut. 1m70; larg. 1m05

104          Tableau en carrelage, représentant la belle jardinière et le galant jardinier, décor manganèse.
Haut. 1m70; larg. 1m05

105          Tableau en carrelage, représentant les vendanges, composition animée de quatre personnages, décor manganèse. Haut. 1m70; larg. 1m05

106          Tableau en carrelage, représentant un panier de fleurs et un perroquet, décor manganèse,
Haut. 0m78; larg. 1m30

107          Tableau en carrelage, représentant un panier de fleurs et un écureuil, décor manganèse.
Haut. 0m78; larg. 1m30

Sollten Sie den Verbleib eines der o.g. Fliesenbilder kennen, so lassen Sie es mich bitte wissen.


(4)           Joseph Wagner (* 1706 Thalendorf am Bodensee - + 1780 Venedig), Schüler von Giacomo Amigone und F. Joseph Späth in München. Ging mit Amigone nach Rom, Bologna und 1733 nach England. Weitere Ausbildung unter Cars in Paris. 1739 ließ er sich als Verleger und Kupferstecher in Venedig nieder und gründete eine eigene Schule.


(5)           Giacomo Amigone (Jacopo Amiconi) (* 1675 Venedig - + 1752 Madrid), Radierer, Frescant, Altar- und Bildnismaler. Ausgebildet in Venedig und Flandern, tätig in Bayern, Oberschwaben, London, Venedig und für den spanischen Hof. Besonders bekannt wurde er als Dekorationsmaler beim Ausmalen des Schlosses Schleissheim bei München, ab 1729 in London Portraitmaler der vornehmen Gesellschaft, ab 1747 Hofmaler in Madrid. Für die Verbreitung seiner Werke sorgte er eigenhändig durch Schaffung von Radierungen. Sein Schüler Joseph Wagner trug erheblich zur Verbreitung seiner Arbeiten bei.


(6)           Pierre Alexandre Aveline (* 1702 Paris - + 1760 Paris), Sohn von Pierre Aveline und Schüler von J.B. de Poilly, wurde 1737 Akademiemitglied, Er schied allerdings 1742 schon wieder aus der Akademie aus.


(7)           François Boucher (* 1703 in Paris - + 1770 in Paris) war Zeichner, Maler, Kupferstecher und Dekorateur des französischen Rokoko und ein Günstling der Marquise de Pompadour, die er auch portraitierte. Er war berühmt für seine frivolen und sinnlichen Bilder.


(8)           Unter den Entwerfern und Herausgebern von Kupferstichen nimmt Johann Esaias Nilson eine hervorragende Stellung ein. Er wurde 1721 als Sohn des schwedischen Miniaturmalers Hans Nilson in Augsburg geboren. Hier gründete er 1752 einen eigenen Kupferstichverlag, wurde Mitglied der kaiserlichen, später Direktor der städtischen Akademie. J.E. Nilson starb 1788 in Augsburg. 

 

Bitte beachten Sie auch die Veröffentlichungen:

Von Jan Aalmis signierte Jahreszeitentableaus in der Sammlung Ludwig Aachen

Von Jan Aalmis signierte Jahreszeitentableaus im Rijksmuseum Amsterdam

Von Jan Aalmis signierte Jahreszeitentableaus in einer schweizer Privatsammlung

 

 

Link zum Couven–Museum Aachen